Kolumne für Netzwerk Südbaden, Ausgabe November 2022

Die hohen Energiekosten belasten alle Unternehmen in Deutschland. Häufig wird nicht bedacht, dass auch Rechenzentren und Netzbetreiber für deren Betrieb große Mengen an Energie benötigen.

„Diese Akteure sind das Rückgrat der Digitalisierung“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Stark steigende Energiekosten und drohenden Blackouts könnten in Deutschland neue Herausforderungen für Unternehmen bedeuten. In der Bundesrepublik gab es 2020 rund 3000 Rechenzentren mit einer elektrischen Leistung von jeweils mehr als 40 Kilowatt (kW). Dazu kamen rund 47.000 kleinere IT-Installationen. Die Gesamtleistung lag also bei mehr als 2.088.000 Kilowatt mit steigender Tendenz. Rechenzentren sind für eine fortschreitende Digitalisierung unabdingbar, ihr Ausfallen würde Deutschland vor ein Problem stellen und der gesamten Wirtschaft massiv schaden.

„Die im europäischen Vergleich sehr hohen Stromkosten sind seit Jahren ein entscheidender Standortnachteil für deutsche Rechenzentren. Durch die stark gestiegenen Energiepreise nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine spitzt sich die Situation für die Digitalwirtschaft insgesamt zu“, sagt Rohleder. Um die Digitalisierung voranzutreiben und Deutschlands digitale Souveränität zu stärken, fordert der Bitkom-Chef „konsequente und zielgerichtete Schritte zur Entlastung der digitalen Wirtschaft von den explodierenden Energiepreisen“.

Die großen Player im europäischen Datacenter-Markt sehen die Gefahr, dass Rechenzentrumsbetreiber und Kunden dauerhaft ins europäische Ausland abwandern. Denn Strom macht einen wesentlichen Teil der Betriebskosten aus – das bekommen die Kunden zu spüren. Zudem belastet die Gefahr von Blackouts die Nerven der deutschen Rechenzentrumsbetreiber. Stromausfälle über mehrere Stunden sind laut Meinung einiger Experten unvermeidbar, wenn der kommende Winter sehr kalt wird. Diese Risiken müssen Rechenzentrumsbetreiber mit sogenannten unterbrechungsfreien Stromversorgungen (USV) und Notstromgeneratoren so gut es geht minimieren. Um möglichst lange via Notstrom überbrücken zu können, braucht es allerdings einen großen Vorrat an Diesel – eine weitere Herausforderung.

Ein kleiner Vorgeschmack auf das, was auf uns zukommen kann, gab es am 20. Juli in Freiburg. An diesem Mittwochnachmittag waren große Teile der Innenstadt und der Hauptbahnhof für fast zwei Stunden ohne Strom. Gegen 15 Uhr gingen sieben Trafo-Stationen am Umspannwerk am Schlossbergring vom Netz und verursachten den Stromausfall in der Innenstadt und in den benachbarten Stadtteilen. Während die Ladenbesitzer im Hauptbahnhof um 16:15 Uhr ihre Auslagen wegräumten, weil sie an einem zügigen Wiedereinschalten des Stroms zweifelten, brummte auf dem Dach des Bahnhofgebäudes der Notstromgenerator des dort ansässigen Rechenzentrums. Dessen Infrastruktur und Serversysteme wurden durchgängig mit Energie versorgt, sodass die angeschlossenen Kunden nichts bemerkten.

Es bleibt der Respekt vor der unsicheren deutschen Stromversorgung und die Angst vor einem möglichen bevorstehenden Blackout.

Der Autor

Julian Sayer ist Vorstand für Vertrieb, Marketing und Entwicklung des Freiburger Hostingunternehmens und Cloud Solution Providers Continum AG. Als AWS und Microsoft Azure Partner versteht sich die Continum AG als „Anwalt“ des Kunden und unterstützt Unternehmen auf dem sicheren Weg in die Cloud.